Rettet das El Bulli
von Max aus Roses
Ist es nicht rührend, wie sich die Bürgermeisterin von Roses für die Rettung des „El Bulli“ genannten Freßtempels einsetzt?
Der „Laden“ bringe jeden Tag etwa 50 (gut betuchte) Per-sonen aus der ganzen Welt nach Roses (genau genommen mehr ins Nirgendwo), was dem Image der Stadt sehr gut tue. Diesem „Zentrum für investigative Küche“ werdeseitens der Stadt „jede erdenkliche Hilfe“ geleistet. Der gleichermaßen erfreute wie unwissende Bürger und Gourmant fragt sich, um was es dabei konkret geht.
Laienhaft grob und einigermaßen allgemeinverständlich ausgedrückt wird in der investigativen Küche nach Neuem gesucht. Nach noch nicht bekannten Geschmacks - Erlebnissen und nach bisher unbekannten, oder neuartigen Darreich- ungsformen. Wie in der Kunst, ist es in einer Welt, in der fast alles, was möglich ist, schon einmal irgendwie versucht oder gemacht wurde, natürlich schwierig, noch was gänzlich Neues zu erschaffen.
In der Kunst ist ein probater Weg zu diesem Ziel die Verfremdung. Das kann etwas sein, was wie ein Mensch aus-sieht, aber doch kei-ner ist. Ein Werk kann völlig gegenstandslos daherkommen und den-noch etwas in uns auslösen. Um derartige Phänomene zu steigern und ihre Wirkung zu verstärken, verbindet man das Erlebnis mit einem Ritual.
So, oder so ähnlich, könnte man die investigative Küche analog zur Kunst erklären.Jeder möge selbst sein Verhält-nis zur zeitgenössi-schen Kunst ergrün- den und so seinen Zugang zur investigativen Küche bestimmen.
Wer einen Kick empfindet, wenn etwas wie ein Apfel oder ein Fisch schmeckt, aber wie ein dampfendes Geäst oder ein wabbelig schillernder Würfel aussieht, der ist hier richtig. Wer essen von den Niederungen der bloßen Ernährung und des naiv-sinnlichen Genusses befreien und zu höherer oraler Betätigung erheben möchte, der braucht neben den dafür erforderlichen finanziellen Mitteln vor allem eine unvoreingenommene Phantasie und rituelle Obsession.
Ernährungsphysiolo-gisch ist die Kost meist unbedenklich und dient nicht in erster Linie den Anforderungen des physischen Überle-bens, ist aber einem Loch im Kopf vorzuziehen. Die Lebensmittelindustrie geht chemisch gesehen und im Prinzip denselben Weg, nur in umgekehrter Richtung, indem sie aus Abfällen Nahrung zubereitet. Auch das bringt wöchentlich wenigstens 50 Personen aus aller Welt nach Roses.
Es bleibt abzuwarten, wie lange der bürgermeisterliche Arm und wie tief die kommunale Tasche ist, aus der die kulinarische Attraktion gerettet werden soll.
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